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1290. Juni 23. Breslau.

vig. Joh. bapt.

Heinrich, Herzog von Schlesien, Krakau und Sendomir, macht in schwerer Krankheit sein Testament, und setzt zu Erben ein für das Land Schlesien und die ganze Breslauer Herrschaft seinen Bruder (Vetter) Heinrich, Herzog von Glogau, in den Landen Krakau und Sendomir, die Testator mit vielen Unkosten und Anstrengungen erworben, den Herzog von Grosspolen, Primizlaus, in der Landschaft Grossen den Landgraf von Thüringen, Friedrich (Schwestersohn Heinrichs IV.), dem dieser Antheil längst zugewiesen war; seiner Wittwe (Mathilde) soll das Leibgedinge (Lypchedinge) Namslau Stadt und Land mit 400 Mk. jährlicher Einkünfte bleiben. Die Erben sollen die Schulden des Testators übernehmen und das Glatzer Land dem Könige von Böhmen zurückstellen, wogegen dieser ihnen Beistand gegen ihre Feinde leisten soll, die Stadt Braunau mit ihrem Gebiete soll an den dortigen Abt kommen, der ein Recht darauf hat. Der Herzog von Glogau, als Haupterbe, soll an dem Geburtsorte des Testators auf dem alten Burgplatze seines Vaters (alte herzogl. Burg hinter der. Kreuzkirche), zu Ehren der heil. Jungfrau ein Nonnenkloster bauen, für 100 Schwestern vom Cisterzienserorden, nebst 20 als familiares dazu gehörigen Brüdern, ausser den erforderlichen Laienbrüdern, zu dotiren mit 1000 Mk. Einkünften in Knegenicz (Kniegnitz bei Nimptsch), Senicz (Senitz), Panthenow (Panthenau) und allen Gütern, welche des Testators Kanzler Bernhard, Propst von Meissen, auf Lebenszeit besitzt, nämlich Malewitz bei Brieg (Mollwitz), Jordansmol (Jordansmülhe), Olesna (Langen Oels bei Nimptsch), Heydenrichdorph (Heidersdorf), Tomnicz (Thomitz) im Nimptscher Gebiete, ferner Wule brucke prope Rychenbach (Faulbrück), wozu noch kommen soll der Zins von den Kaufkammern in Breslau, ferner die villa Rathaicales (Ratay bezeichnet im Polnischen einen zum Kriegsdienst verpflichteten Landmann, erklärt Stenzel in der Anm. 112 zu der Gründungsurk. des Krenzstiftes 1288 Jan. 11, Denkschr. der vaterlandischen Gesellsch. 1853 S. 80), bei Oels nämlich Jencowicz (Jenkwitz), Dambrowe (Dammer), Rathay (Rathen), Corslicz (Korschlitz), Smarsowe (Schmarse). Falls damit die Einkünfte des neuen Klosters 1000 Mk. noch nicht erreichen, soll sie der Herzog von Glogau ergänzen, auch dem Kloster 4 Vorwerke überweisen, jedes zu 6 Hufen. Alle dazu gehörigen Dörfer sollen Freiheit von allen Steuern und Lasten und volle Jurisdiktion haben. Dagegen sollen von den gedachten Einkünften und zwar denen der ville Rathaicales abgezogen werden 60 Mk. und 60 Malter jährlichen Zinses zum Zwecke von täglichen Distributionen im Breslauer Kreuzstifte, zu dessen Bau auch noch 500 Mk. Silber bestimmt werden. Und weil der Testator beabsichtigt habe das Kreuz zu nehmen, so solle, zur Erfüllung dieses Geliebdes, sein Erbe, der Herzog von Glogau 1000 Mk. Silber zur Unterstützung des heiligen Landes hergeben. Auch solle sein Erbe im Krakauischen, der Herzog (Premislaw) von Polen 100 Mk. Goldes der Kirche des heil. Wenzel in Krakau, zur Errichtung eines neuen Klosters, schenken. Der Herzog von Glogau solle unter die Diener der herzogl. Kammer 200 Mk. je nach den Verdiensten der Einzelnen vertheilen. Begraben zu werden begehrt der Herzog in dem Kreuzstifte, doch sollen, wenn das neue Nonnenkloster fertig geworden, seine Gebeine dorthin übergeführt werden. Die Nonnen für das neu zu gründende Kloster sollen aus dem von weiland des Testators neptis (sic - sie war H.'s Urgrosmutter) Constancia, Königin von Böhmen, gegründeten Kloster Thussnewicz (Tischnowitz in Mähren) genommen werden. Die Sorge für die Vollstreckung des Testamentes übernehmen wird Bischof Thomas, der dann auch vermöge seiner potestas ordinaria die Erben zur Ausführung der Testamentsbestimmungen anhalten soll.

Z.: Bernhard Propst v. Meissen herzogl. Kanzler, Peter Propst zum heil. Kreuz, Joh. Dechant zum heil. Kreuz, die Barone Symon Gallicus, Nanker, Heinr. v. Wysemburck, Polzco, Schambor, Pacozlaus, Gunther v. Biberstein, Ludwig Protonotar v. Schlesien, Boguss v. Pogrel. Ausgef. durch den Notar Giselher.


Aus der allein erhaltenen Abschrift im lib. niger, dem grossen im XV. Jahrh. geschriebenen Privilegienbuche des Domarchives f. 348, abgedr. bei Stenzel, Bisthumsurk. S. 252 und cod. dipl. maj. Pol. II. 24. Der höchst merkwürdige Inhalt dieses Testamentes ist sehr geeignet Zweifel an der Echtheit zu erregen. Es ist gar nicht zu verkennen, dass in dieser Urkunde Herzog Heinrich IV. Alles verleugnet, was er bis dahin sein Leben lang gethan und erstrebt hatte.
Er zerstückt freiwillig sein durch so viele Kämpfe und Anstrengungen zu ansehnlicher Grosse ausgedehntes Herrschaftsgebiet, restituirt aus freien Stücken den Nachbarn das Entrissene, enterbt seine nächsten Verwandten aus der Liegnitzer Linie und speciell den Führer seines Heeres Heinrich von Liegnitz, beleidigt, indem er ihnen einen unerwünschten Herrscher aufzuzwingen versucht, die getreuen Breslauer, denen er so sehr zu Dank verpflichtet war, giebt die Krakauer Deutschen nach all den vorangegangenen Kämpfen den Polen preis, tritt abermals einen grossen Theil des herzogl. Territoriums auf der Dominsel der Geistlichkeit ab, welcher er überhaupt sehr ansehnliche Schenkungen zuweist, ernennt den Bischof von Breslau, mit welchem er so lange in erbitterter Fehde gelebt, zu seinem Testamentsvollstrecker in einer Form, welche die Erben thatsächlich der geistlichen Gewalt des Bischofs unterwirft. Das Alles ist im hohen Grade auffallend, und da die Urkunde nicht im Or. erhalten ist, sondern nur in dem liber niger des Domarchivs, in welchem doch auch mancherlei sehr verdächtige Urkunden sich befinden, erscheint ein Zweifel an der Echtheit naheliegend. Auf der andern Seite aber muss man sich erinnern, dass bei der zweiten Urkunde von demselben Tage, dem gleich anzuführenden grossen Privileg für das Bistimm, mit welchem offenbar das vorliegende Testament steht und fällt, die Verhältnisse doch günstiger liegen und hier ein schwer anzufechtendes Original vorhanden ist, mit dessen S. es allerdings eine besondere bei 2141 anzuführende Bewandniss hat. Und schliesslich, wer will die Möglichkeit einer totalen Sinnesänderung bei dem Herzoge in seinen letzten Lebenstagen ausschliessen? So vermögen wir uns denn für eine entschiedene Verwerfung der allerdings sehr befremdlich scheinenden Urk. nicht zu entscheiden.


Codex Diplomaticus Silesiae, Bd. 7, 1886; Regesten zur schlesischen Geschichte, Th. 3: Bis zum Jahre 1300. Herausgegeben von Colmar Grünhagen.